Neurodiversität im Unternehmen:

Warum anders denken ein Vorteil sein kann 

In immer mehr Unternehmen taucht ein Begriff auf, der früher kaum Beachtung fand: Neurodiversität. Gemeint ist damit die Bandbreite neurologischer Veranlagungen – etwa Autismus, ADHS, Legasthenie oder Hochsensibilität. Was früher oft nicht verstanden oder pauschal, als Defizit betrachtet wurde, wird heute zunehmend als Chance gesehen. Doch ist die Arbeitswelt bereit dafür? 

Vielfalt beginnt im Kopf – und braucht Strukturen 

Obwohl rund 15–20 % der Weltbevölkerung neurodivergent sind (World Economic Forum, 2023), spiegelt sich das in Führungsetagen, Projektteams oder HR-Prozessen bisher kaum wider. Die Gründe sind vielfältig: mangelnde Aufklärung, unbewusste Vorurteile oder Prozesse, die stark auf einheitliche Kommunikations- und Verhaltensmuster ausgerichtet sind. 

Neurodivergente Menschen erleben am Arbeitsplatz häufig Barrieren, die für andere unsichtbar bleiben: überfordernde Reize, unklare Anweisungen, implizite Erwartungen oder die Schwierigkeit, nonverbale Signale richtig zu deuten. Hinzu kommen soziale Hürden und die Angst vor Stigmatisierung. Laut Deloitte fühlen sich 48 Prozent der neurodivergenten Beschäftigten nicht ausreichend unterstützt (Deloitte, 2022). 

Das hat Folgen: In Europa liegt die Beschäftigungsquote von Menschen mit Autismus bei unter 10 % – weit unter dem Schnitt der Gesamtbevölkerung. Unternehmen entgehen dadurch nicht nur wertvolle Talente, sondern auch die Innovationskraft, die diese Menschen mitbringen könnten.

Ein klarer Vorteil für alle, die Strukturen neu denken 

Viele klassische Bewerbungsverfahren bevorzugen extrovertierte Verhaltensweisen: Smalltalk, spontane Reaktionen, sicheres Auftreten. Doch genau diese Anforderungen stellen für viele neurodivergente Menschen eine Hürde dar – und führen dazu, dass qualifizierte Kandidat*innen den Auswahlprozess gar nicht erst durchlaufen oder früh wieder ausscheiden. 

Dabei zeigt sich in Studien, dass neurodivers besetzte Teams bei komplexen Aufgaben bis zu 30 % bessere Ergebnisse erzielen (Harvard Business Review, 2017). Unternehmen, die neurodivergente Fachkräfte einstellen und gezielt fördern, profitieren von einem breiteren Spektrum an Denkweisen – und schaffen sich einen echten Wettbewerbsvorteil. 

Diese Fähigkeiten bringen neurodivergente Mitarbeitende mit 

  • analytisches und tiefgehendes Denken 

  • große Ausdauer bei repetitiven Aufgaben ein präziser Blick für Details 

  • kreative und oft unkonventionelle Lösungsansätze


Besonders in Bereichen wie IT, Qualitätssicherung, Forschung oder Data Science sind diese Kompetenzen von großem Wert – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.

Wie Unternehmen jetzt klug handeln können

1. Verständnisvolles Umfeld schaffen 

Viele neurodivergente Mitarbeitende sprechen nicht offen über ihre Bedürfnisse, aus Angst vor Ablehnung oder Benachteiligung. Unternehmen sollten deshalb ein Umfeld schaffen, das Offenheit fördert. Führungskräfte und Kolleginnen und Kollegen können durch angepasstes Verhalten, aktives Zuhören und respektvollen Umgang dazu beitragen. So entsteht eine Basis für echte Inklusion und gegenseitiges Verständnis.

2. Bewerbungsprozesse und Onboarding inklusiv gestalten 

Klassische Vorstellungsgespräche bevorzugen häufig extrovertierte Verhaltensweisen, was neurodivergente Personen benachteiligen. Solche Abläufe erfassen oft nicht das volle Potenzial. Praxisnahe Aufgaben, strukturierte Interviews und alternative Formate schaffen hier mehr Fairness. 

Auch beim Onboarding hilft ein klarer Rahmen. Ein Beispiel: Ein strukturierter Einarbeitungsplan mit visuellen Arbeitsschritten und festen Kontaktpersonen sorgt für Orientierung und ermöglicht es vom ersten Tag an effektiv mitzuarbeiten. Solche Maßnahmen fördern nicht nur Inklusion, sondern auch den erfolgreichen Start aller neuen Mitarbeitenden.

3. Arbeitsumgebungen anpassen – für alle 
Reizüberflutung, unklare Arbeitsabläufe oder häufige Unterbrechungen können zu Stress führen. Mit kleinen Anpassungen schaffen Sie ein konzentriertes Arbeitsumfeld: 

  • ruhige Rückzugsorte 

  • klare Aufgabenverteilung 

  • visuelle Tagespläne 

  • schriftliche Absprachen 

  • flexible Arbeitszeiten 

  • Noise-Cancelling-Kopfhörer

Diese Maßnahmen kommen nicht nur neurodivergenten Mitarbeitenden zugute, sondern steigern Produktivität und Zufriedenheit im gesamten Team.

Fazit 

Neurodiversität braucht keine Sonderbehandlung, sondern flexible Rahmenbedingungen, die verschiedene Arbeits- und Denkweisen wertschätzen und unterstützen. Unternehmen, die diese Vielfalt aktiv in ihre Strukturen einbinden, legen den Grundstein für nachhaltigen Erfolg und mehr Innovationskraft. Es lohnt sich, offen für neue Perspektiven zu sein und die Potenziale neurodivergenter Mitarbeitender bewusst zu fördern, denn genau darin könnte ein Wettbewerbsvorteil für die Zukunft liegen. 

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